Marc Jurczyk – Erst auf dem Zielstrich knapp geschlagen

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Der Altdorfer und RSG Mitglied Marc Jurczyk holt Silber im Keirin bei der U23-Europameisterschaft auf der Bahn.

Selbst beim Zielfoto muss man schon ganz genau hinschauen. Es sind nur Millimeter, die den Altdorfer Bahnradfahrer Marc Jurczyk von der Goldmedaille trennen. Bei der U23-EM im italienischen Monchiari am Gardasee hat den 20-Jährigen im Zieleinlauf des Keirin-Wettbewerbs nur der Franzose Thomas Copponi noch abgefangen.

Artikel vom 20. Juli 2016 – Von Michael Schwartz – Kreiszeitung Böblinger Bote

Zielfoto EM Keirin - Gardasee, Italien, 2016 - Marc Jurczyk knapp Zweiter

Zielfoto EM Keirin – Gardasee, Italien, 2016 – Marc Jurczyk knapp Zweiter

Der französische Trainer bewertete Jurczyks Leistung hinterher als „imposant“. Und auch der Angesprochene selbst wusste, dass eigentlich er den ersten Platz verdient gehabt hätte: „Dass ich trotz Führungsarbeit nur so knapp geschlagen wurde, ist eigentlich ein Zeichen dafür, dass ich stärkster Fahrer in diesem Lauf war.“ Auch noch in der letzten Runde gab Marc Jurczyk von vorne weg Vollgas. Ungewöhnlich in dieser Disziplin, zu diesem Zeitpunkt nicht einzubrechen, wenn man das Rennen so lange in der Führungsposition bestreitet. „Trotzdem hat sich der Franzose auf dem Zielstrich noch vorbei gemogelt.“ Was schwer zu verhindern war, denn das Tempo im Keirin ist auf den letzten Metern so enorm hoch, dass ein Schulterblick nach hinten eigentlich nicht möglich ist. Die Devise lautet also hoffen, dass keiner mehr kommt.

„Die Power ist da, aber in Sachen Taktik fehlt es mir noch ein wenig“

Marc Jurczyk im Keirin-Sprint - EM 2016 Gardasee

Marc Jurczyk im Keirin-Sprint – EM 2016 Gardasee

„Leider nur Silber für mich“, meinte der Altdorfer. Und mit Blick auf seinen Rivalen: „Aber immerhin wurde ihm nix geschenkt.“ Für seine erste internationale Meisterschaft nach dem Wechsel zu Turbine Erfurt war er jedoch auch zufrieden. So gelang ihm im Sprint-Wettbewerb eine neue persönliche Bestzeit mit 10,079 Sekunden. Zwar folgte das Aus im Hoffnungslauf des Achtelfinals, aber das lässt sich mit fehlender Erfahrung entschuldigen. „Die Power ist da. Ich habe gut trainiert und meine Topform pünktlich zur EM abgerufen“, sagt der Fahrzeugtechnikstudent selbstbewusst. „Aber in Sachen Taktik fehlt es mir noch ein wenig.“ Welche Manöver sollte er fahren, um seine Kontrahenten zu längeren Wegen zu zwingen? Wie muss er Abstände und Geschwindigkeiten einschätzen? „Mir ist bewusst, dass ich da noch an mir arbeiten muss.“

So richtig ist Marc Jurczyk schließlich erst im Oktober 2015 in den Kurzzeitbereich eingestiegen. Verbunden mit dem Umzug aus dem heimischen Altdorf nach Erfurt. „Der Bahnsprint ist in Deutschland nicht ganz so groß“, erklärt der junge Mann, der immer noch auch Vereinsmitglied bei der RSG Böblingen ist. In Süddeutschland schon gar nicht. „Wenn ich diesen Sport also professionell betreiben wollte, musste ich den Standort wechseln.“ Zur Auswahl standen Chemnitz („dort trainieren die Olympiastarter im A-Kader für Olympia – die haben im Moment ganz andere Ziele wie ich“), Cottbus („die Stadt gefällt mir nicht so gut“) und eben Erfurt. Dort trainierten bereits ein paar alte Bekannte, die sich auf gleichem Niveau bewegen. Das Einleben mit den neuen Trainingspartnern fiel ihm so einfacher. Zudem schwärmt er von Trainer Tim Zühlke: „Ein sehr kompetenter Mann.“

An sechs Tagen in der Woche trainiert Marc Jurczyk mindestens zwei Stunden lang – teilweise summiert sich das auf rund 24 Stunden. Viel Zeit für Besuche in der Heimat wie momentan bleibt da nicht. Sein Wechsel aus dem Ausdauerbereich war dennoch ein logischer Schritt. Dort ist die letzte Juniorenklasse die U19, dann geht es schon in den Männerbereich. „Dieser Sprung wäre zu groß gewesen. Es ist schwer, dort gleich auf ein so hohes Niveau wie beim Nachwuchs zu kommen“, räumt der 20-Jährige ein. Im Bahnsprint hingegen gibt es eine U23, inklusive kontinentaler Titelkämpfe wie denen in Italien.

Marc Jurczyk holt 5 Medaillen bei den Deutschen Meisterschaften U19 im Jahr 2014

Marc Jurczyk holt 5 Medaillen bei den Deutschen Meisterschaften U19 im Jahr 2014 – Archiv-Bild

Also probierte es der Altdorfer Ende 2014 einfach mal. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Bei der deutschen Meisterschaft gab es Gold im Sprint und über 1000 Meter, Silber im Keirin sowie Bronze im Vierer und Madison. „Der Bundestrainer hat mich gefragt, ob das eine einmalige Sache war, oder ob ich weitermache“, schildert Marc Jurczyk. Den angebotenen Lehrgang nahm er gerne mit und bemerkte: „Ich hatte das irgendwie unterschätzt. Sprinter werden ja öfter mal als faule Leute bezeichnet, weil sie kurz Vollgas fahren und dann wieder Pause haben.“ Es habe sich jedoch gezeigt, dass dem definitiv nicht so sei. „Und es hat sich bewahrheitet, dass das der richtige Schritt für mich war.“

So sieht das auch sein Mentor Hans Lutz. „Wenn jemand so ein Talent hat wie Marc, dann ist das ein gangbarer Weg.“ Der Olympiasieger lobt: „Nach einem Jahr der Stagnation während des Abiturs hat er richtige Schübe gemacht. Seine Zeit über 200 Meter – bei fliegendem Start – verbesserte sich von 10,8 auf 10,03 Sekunden. Acht Zehntel, das sind umgerechnet 16 Meter.“ Welten im Bahnradsport. In Watt gerechnet hat Jurczyk seine Leistung auf den ersten Metern aus dem Stand laut Lutz von 2000 auf 2500 Watt verbessert. Womit er schon verdammt nahe an der Weltklasse (etwa 3000 Watt) dran ist. Sein EM-Silber bestätigt das.

Übernahme dieses Artikels vom 20. Juli 2016 mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der KREISZEITUNG Böblinger Bote – www.krzbb.de

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Herbert

RSG Mitglied, Radtreff Organisator und Website-Admin bei RSG-Böblingen
Schwabe in den Besten Jahren 🙂